Sonntag, 22. Juli 2012

Am Mount St. Helens


20.07.12

Die Gewitter kommen am frühen Morgen in schneller Folge und mit starkem Regen, also frühstücken wir seit langem einmal wieder im Auto. Gestern Abend habe ich noch die Stühle und die Axt ordentlich im Auto verpackt, so ist in einer kurzen Regenpause nur das restliche Feuerholz auf den Heckträger zu schnallen, dann geht es los in Richtung Mount St. Helens, wenn auch mit wenig Optimismus. Auf einer engen, kurvenreichen Straße geht es durch den kalten Regenwald immer höher und ab ca. 900m sind wir im Nebel. Das feuchte Klima lässt riesige Farne wachsen, die Stämme der Bäume sind teilweise vollständig bemoost und von den Zweigen hängt das Moos meterlang. So wie wir es schon aus den kanadischen Regenwäldern kennen. Der Nebel wird immer dichter, teilweise habe ich nur 10m Sicht. Das hat den Vorteil, dass man sieht die tiefen Abgründe, an denen wir vorbeifahren, nicht sieht. Aber amerikanische Leitplanken, die Pfähle sind aus Holz, würden unser Auto sowieso nicht aushalten. Also vermisse ich sie nicht. An der Windy Ridge, hier ist die Fahrt auf 1250m Höhe beendet, reist es zu unserer Freude auf, wir besteigen einen Aussichtspunkt (430 Stufen sind 80 Höhenmeter) und können von dort in das Tal und auf den Spirit Lake schauen, in den sich die Gesteinsmassen und der Schlamm des geschmolzenen Gletschers ergossen haben. Der Wasserspiegel des Sees ist dadurch um 75m gestiegen, die Flutwelle ist über 200m an den Ufern hochgeschossen und hat alle Bäume weggerissen. Diese schwimmen heute noch im See, große Teile des Sees sind bedeckt mit den treibenden Stämmen. Hier herrschte zum Zeitpunkt des Ausbruchs Apokalypse, die auch 57 Menschen (trotz Warnung) das Leben gekostet hat, darunter waren ein Forscher, der nicht gehen wollte, und der Erbauer und Besitzer der Lodge, deren Reste heute in 75m Tiefe liegen. Es gibt eine Infotafel mit dem Titel „A Paradise Is Gone“ die zeigt, wie schön das Leben hier oben war; Fischen und Jagen im Sommer, Skifahren im Winter.
Wir warten eine halbe Stunde darauf, dass die Sonne, die manchmal als weiße Scheibe in den Wolken sichtbar wird, die Wolken auflöst, vergeblich.
Für die Rückfahrt hat Irmi eine Variante ausgesucht, an Minor‘s Car biegen wir links ab. Es gibt zwar eine Straße, aber in einem desolaten Zustand! Die Talseiten sind immer wieder abgebrochen und die Büsche wachsen bis zur Hälfte der Fahrbahn. Ich verkünde „diese Straße fahre ich nicht, das Auto ist zu schwer!“ aber ich kann nicht wenden, unmöglich. Also weiter, immer weiter. Der Zustand verbessert sich leicht, so lasse ich es sein und fahre weiter. Jedes Mal, wenn ich ein abgesenktes oder abgebrochenes Straßenstück sehe, schießt mir das Adrenalin ins Blut und ich fahre das Auto soweit rechts wie möglich an den Hang. Irgendwann sehen wir den Rauch eines Campfires und Pferdeäpfel auf der Straße, wir sind also in der Nähe des Green River Horse Camp. Dann kommen mir zwei Trucks mit Pferdeanhängern entgegen, es kann also nicht mehr schlimmer kommen. Nach 30km sind wir endlich durch, an diesem Ende der Straße steht ein orangenes Warnschild.
Wir fahren weiter in Richtung Mount Rainier und bleiben hinter Packwood auf einem National Forest Campground stehen. Wir erwischen den letzten Stellplatz, es ist Wochenende, die Amerikaner streben in ihren Forest. Anstatt Gras haben wir Moos auf dem Boden und sind umgeben von großen Farnen. Hoffentlich ist morgen das Wetter besser, wir wollen den Mount Rainier sehen.
Nach dem Abendessen, es gab Fischfilet mit Paprikagemüse, Salzkartoffeln und dazu Columbia River Riesling (zu süß), bringe ich den Abfall weg und beobachte dabei das amerikanische Campingleben. Was sind wir doch für Weicheier, sitzen im warmen, trockenen Wohnmobil. Die meisten Amerikaner hingegen sind mit dem Zelt hier, sitzen davor am Campfire und lassen sich von dem Nieselregen bei maximal 18 Grad nicht stören. Auch die Kids nicht, sie rasen mit Kickboard und Fahrrad über die Straßen des Platzes. Irmi lässt sich trotzdem nicht zum Campfire überreden.

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