Donnerstag, 11. Oktober 2012

In Flagstaff



11.10.12

Der Gift Shop am Parkeingang ist wirklich so gut, wie in unserem Reiseführer beschrieben. Hinzu kommt noch eine rührige Verkäuferin, die alles anschleppt, was sie glaubt, dass es uns gefällt. Ihre Nase ist gut und wir erstehen einige schöne, kunstgewerbliche Sachen. Die ganz teuren und schweren Stücke, Tischplatten aus poliertem, versteinerten Holz, auf die verzichten wir, ab $7000 zu haben, aber wunderschön.

Dann reservieren wir telefonisch einen Platz im Grand Canyon National Park, es erscheint uns sinnvoll, ein langes Wochenende steht bevor, am Freitag ist in den USA Feiertag, Columbus Day. Die Reservierung wird zum Albtraum, denn der Mensch am anderen Ende der Leitung möchte alles, einschl. der kompletten, deutschen Adresse in seinen Computer tippen und ich muss jedes Wort buchstabieren, dann tippt er es ein, wiederholt es, es ist falsch, von neuem. Aber am Ende haben wir einen reservierten Stellplatz!

Auf dem Weg nach Flagstaff sehen wir Güterzüge in Richtung Westen, das Mysterium ist aufgeklärt! Nicht ganz, die in Richtung Osten haben alle vier Loks oder mehr, die in Richtung Westen aber nur drei!

In Flagstaff beschleicht mich Wehmut, hier hatte mein Freund Friedhelm Hesse seinen USA-Wohnsitz und wir beide hatten uns auf ein Treffen hier sehr gefreut. Er ist, zusammen mit seiner Frau in Mexiko bei einem Autounfall ums Leben gekommen.

Wir fahren zum KOA, während der Anmeldeprozedur geht die Türe auf und die radelnden Holländer erscheinen. Wir freuen uns riesig, sie haben uns entdeckt und sind extra wegen uns auf den KOA gefahren! Ihre Reise ist hier zu Ende, der Sohn eines Paares lebt hier, dort werden die Räder geparkt für das nächste Jahr. Viel Erfolg wünschen wir Euch!

Der Bus bringt uns nach Downtown. Der erste Anlauf ging schief, da dort, wo die Chefnavigatorin die Haltestelle sicher gesehen haben wollte, keine war und der Bus an uns vorbei fuhr. Über Flagstaff ziehen dunkle Wolken auf, so gehen wir erst einmal zurück zum Auto und nehmen Regenjacken mit. Noch im Bus fängt es an zu regnen. So hat vieles seinen Sinn, auch, wenn dieser meist sehr viel später erkannt wird als diesmal.

Flagstaff ist überschaubar und in einer halben Stunde abgelaufen. Mitten durch läuft die bereits erwähnte Bahnlinie mit Bahnübergang, da staut sich dann schon mal der Verkehr bei den langen Güterzügen, man nimmt es mit Gelassenheit. Dann gibt es täglich einen Zug nach Los Angeles, aus Chicago kommend, und den Gegenzug. Und den stündlichen Zug nach Phoenix. Das Bahnhofpersonal ist also nicht unbedingt überfordert.

Was uns verwundert sind die vielen Geschäfte mit hochwertiger Ware bis hin zu Alessi-Produkten. Es regnet weiter und wir „stellen uns unter“ in einer Microbrewery, so heißen hier die kleinen Hausbrauereien, die unglaublich gut laufen. Ich bestelle Irmi ein Hefeweizen, das scheint der Hit momentan in USA und Kanada zu sein und mir selbst drei  „Taster“, also winzig kleine Biere zum probieren. Ich entscheide mich für das Oktoberfestbier, es hat zwar mit dem Original nichts gemeinsam, schmeckt aber gut, ebenso Irmis Weizen. Nur, alles ist viel zu kalt. Immer mehr Leute kommen und es werden Platzkarten für die Tische ausgegeben, die Zeit, bis der dann frei ist, muss man stehend an der Theke verbringen. Das schafft eine völlig unamerikanische Atmosphäre, solange man nicht auf die Teller der Leute schaut. Riesige Hamburger, mit Messer und Gabel serviert, aber mit den Fingern gegessen oder Tacos bringen einem dann zurück in die Realität.

Der Bus bringt uns zurück, es regnet in Strömen. Übrigens, die Tageskarte für Seniors kostet $1,25 und das Busnetz ist nicht klein.










Go West again



10.10.12

Unterhalb der Stelle, an der wir übernachteten, steht ein Kreuz mit der Inschrift „Who killed Clara“! Hier wurde also Clara ermordet, hätten wir es gestern gesehen, wir hätten sicher nicht hier übernachtet! 

Über Albuquerque ist ein einsamer Ballon zu sehen, der Startplatz ist leer. Aus unserem Reiseführer erfahren wir, dass die Startvorbereitungen um fünf Uhr morgens beginnen und spätestens um sieben Uhr alle Ballons in der Luft sind. Diese Startzeiten sind inkompatibel zu unseren Startzeiten, also verlassen wir Albuquerque und verzichten auf das morgige und frühmorgendliche Schauspiel. Auf der Interstate 40, die teilweise die alte Route 66 überlagert, geht es nun ununterbrochen nach Westen, es passiert nichts Erwähnenswertes. Der Diesel brummelt mit 2300 Umdrehungen über Stunden vor sich hin, das sind 80 km/h. Die US-Trucks fahren die erlaubten 120 km/h, wenn das Gewicht der Ladung es zulässt und manchmal ist erstaunlich wenig auf der Ladefläche. Die Personenwagen nutzen die erlaubte Geschwindigkeit eher selten, d.h. die linke Spur wird von Trucks, zum Teil mit zwei Anhängern dominiert. Selbst ein Porsche lässt sich von Trucks überholen, völlig unverständlich für den tempogewohnten und tempoverliebten Deutschen. Der durch die hohe Geschwindigkeit entstehende hohe Spritverbrauch scheint niemanden zu interessieren, obwohl der Diesel hier auch schon über einem Dollar/Liter kostet.

An vielen Trucks sind große Schilder angebracht „ Driver wanted“ oder „Contractor wanted“, obwohl ja angeblich der Job gut bezahlt ist, viele wollen diesen extrem einsamen und anstrengenden Job nicht machen. Die Romantik,  von der Truckstop und andere Countrysänger in ihren Liedern singen, die gibt es nicht. Hier, wo es keine Fahrtenschreiber und Lenkzeitbeschränkungen gibt, sind die Tage lang, die Nächte kurz und laut und die Stopps zu Hause selten. Dies gilt insbesondere für die Contractors, die mit eigenem Truck auf eigene Rechnung fahren, sie sind Sklaven ihrer selbst. Man erkennt sie daran, dass der Truck vom Chrom glänzt und an allen erdenklichen Stellen Lichter oder Lichterketten angebracht sind. Die müssen dafür eine extra Lichtmaschine haben. Und, dass er meist sauberer ist als die Jeans des Fahrers. Es ist der ganze Stolz und für die meisten „Home“. Trotzdem wehrt man sich gegen Fahrtenschreiber und Lenkzeitbeschränkungen, we are free people in a free Country, erzählte mir ein Trucker letztes Jahr in Anchorage.  Wir jedenfalls haben dafür kein Verständnis. 

Die Straßenränder sind voll mit Werbung auf riesigen Schildern. Wir fragen uns, warum Hotels immer mit sauberen Zimmern und Raststätten immer mit sauberen Toiletten werben, ist das etwas besonderes? Und dann der Hammer, ich sehe die Werbung eines Truck Wash, super, der LKW hätte es nötig! Näher dran dann stellt sich heraus, das Truck Wash ist noch 300 Meilen entfernt. Bis dahin habe ich das längst vergessen.   Wer kommt in Deutschland auf die Idee, in Hannover für eine Waschanlage in München zu werben? 

Und das Wort “Free“ wird in den USA ohnehin inflationär verwendet und missbraucht. Sind homosexuell veranlagte Menschen hier „free“? Ein schwuler Senator ist hier undenkbar, bei uns stören sich Gott sei Dank nur wenige (leider immer noch zu viele) an der sexuellen Orientierung. Immerhin haben wir einen schwulen Außenminister und einen schwulen Ministerpräsidenten. Auch in Kanada ist die sexuelle Orientierung Privatsache. Sind vergewaltigte Frauen „free“ in ihren Entscheidungen? Aber Paul Ryan, Kandidat für das Vizepräsidentenamt unter Romney, behauptet ja, eine Frau könne gar nicht schwanger werden, wenn sie vergewaltigt wurde! Wird also eine vergewaltigte Frau schwanger, war es gar keine Vergewaltigung, sondern einvernehmlicher Sex, die arme Frau wusste es nur nicht. Welch eine Verachtung der Frauen. It’s a free country. Ist Paul Ryan intelligent genug zu wissen, welchen Blödsinn er da von sich gibt? Dann ist er ein unmoralischer Lügner, dem es ausschließlich um  Wählerstimmen derer geht, die einfach genug strukturiert sind, so etwas glauben. Oder er glaubt es selbst, ist dann ein Mann mit so einfachem Geist und so geringer Bildung eine Gefahr für Amerika.

All diese Gedanken sind mir gekommen, weil an der Interstate 40 mehrfach Schilder, groß wie eine Hauswand aufgestellt waren mit der Aufschrift “Paul Ryan, he saves America”. Wenn so ein Charakter Amerika retten soll, gute Nacht Amerika.

Parallel zur Interstate 40 verläuft die Santa Fe Eisenbahnlinie zweispurig, auf der uns regelmäßig in kurzen Abständen lange Güterzüge entgegen kommen, gezogen von vier Loks. Voll bepackt mit Containern aus China, zwei übereinander gestapelt auf einem Wagon. Wir fragen uns, produziert die USA eigentlich noch etwas im eigenen Lande? Und, es fährt kein Zug in Richtung Westen. Versenken die die Wagons und die Container an der Ostküste? Wozu dann zweispurig? Ein Mysterium!

Wir kommen bis zum Petrified National Park, dort machen wir Schluss. Morgen geht es nach Flagstaff und dann weiter zum Grand Canyon National Park.

Die Uhr am Parkeingang verwirrt uns, sie zeigt Pazifik Time an, Arizona hat aber Mountain Time und ein Zeitwirrwarr, wie sich heraus stellt. Ein Blick in den Reiseführer klärt uns auf, Arizona hat Mountain Time, aber keine Sommerzeit.  Außer bei den Navajos, die, weil ihr Gebiet sich über mehrere Staaten erstreckt, haben wiederum die Sommerzeit. Die spinnen doch, oder? Wir beschließen, die Uhren werden erst wieder in Kalifornien umgestellt, pasta.

Unser Weg ab Santa Fe