Mittwoch, 10. Oktober 2012

Überraschung in Santa Fe



09.10.12

Die Nacht war wenig erholsam, wir hatten zu spät zu viel gegessen, zu wenig Frischluft im Auto, weil wir alles verdunkeln mussten, der Parkplatz war taghell erleuchtet. Und zu guter Letzt, bereits vor sechs setzt hier der Berufsverkehr ein, die Amis würden auch gut nach Sachsen-Anhalt passen, nach eigenem Bekunden das Land der Frühaufsteher.

Wir marschieren zum Capitol, es hebt sich wohltuend von den bisher besichtigten ab, keine Monumentalarchitektur in kaltem Granit sondern erdwarme Töne und hiesiger Marmor. Und kein Turm, ein schlichter Rundbau.
Wir wussten ja, dass es dort Kunst zu sehen gibt, aber die Menge, die Qualität und die Präsentation, damit haben wir nicht gerechnet. Der Kunstsinnige kann dort Tage verbringen, keiner hindert ihn daran, es ist alles zugänglich, sogar der Plenarsaal. Wir wandern sehr beeindruckt zurück in Richtung Plaza, vorbei an der ältesten Kirche der USA und dem ältesten Haus, vorbei an einem Markt, wo Kunst und Kitsch zu horrenden Preisen angeboten und auch gekauft werden. In einem Geschäft für Messer schaue ich mir wunderschöne Stücke an und komme ins Gespräch mit dem Besitzer. Er war oft in Deutschland und trauert der deutschen Küche hinterher, rheinischem Sauerbraten und Sauerkraut mit Kapern verfeinert zum Beispiel. Das alles gab es auch in Santa Fe, aber die Besitzerin hat das Lokal verkauft und ist in Rente. Die Nachfolger können ihr nicht das Wasser reichen. Man sieht ihm den Verlust an.

Wir besichtigen die Kathedrale, auch sie ist sehr hell und freundlich gestaltet, um uns dann auf die Plaza zu begeben, wo unter den Arkaden des Gouverneurspalastes indianische Kunsthandwerker ihre Schmuckstücke anbieten. Sie sind alle lizensiert, eine staatliche Stelle kontrolliert und stellt sicher, dass die angebotene Ware auch von den jeweiligen Handwerkern kommt. Was sie anbieten ist wirklich toll, Design, Material, handwerkliche Arbeit, alles stimmt. Die Stücke sind kein billiger Fummel, also kosten sie ihren Preis, aber wir sind sicher, hier findet jeder etwas für seinen Geldbeutel, auch Irmi schlägt zu.

Beim Bummel spricht mich eine Frau an, ob wir aus Deutschland kommen Ja! Sie sei zu hundert Prozent deutsch, alle ihre Vorfahren kommen von dort. Woher genau? Das wisse sie leider nicht mehr. Ob wir denn Deutsch reden sollen? Nein, das könne sie nicht! Sollen wir das kommentieren? Nein, nicht schon wieder.

Während Irmi am Automaten Geld holt, um die Schätze zu bezahlen, interessiere ich mich für einen Stand, wo grafisch veränderte Fotos angeboten werden von einem Mann, etwas älter als ich. Wir kommen ins Gespräch und er fragt mich, woher ich komme. Aus Deutschland. Seine Familie auch, antwortet er und dann kommt der Hammer, er erzählt ganz nebenbei, sein Großvater hatte den Familiennamen Spiess. Mich setzt es fast auf den Hintern und ihn auch, als ich ihm erzähle, ich heiße Spiess. Er kramt Unterlagen und Bücher aus seinem Stand hervor und zeigt mir, welche wichtige Rolle die Familie Spiess in der Entwicklung von New Mexico und auch Texas gehabt hat. Wir beide sind tief bewegt und beschließen, in touch zu bleiben. Auch wenn wir vielleicht überhaupt nicht dieselben Wurzeln haben, es war ein Erlebnis der besonderen Art, diesen sympathischen Menschen kennen gelernt zu haben. Er war schon in Deutschland, schwärmt von unserem Land und es klang ein wenig so, er ist Amerikaner, aber sehr stolz auf seine deutschen Wurzeln. Auch sei er stolz darauf, wie sich Deutschland derzeit verhält in der Welt und insbesondere in der Euro-Krise und wie stark es sei.

Ich bin emotional etwas aus den Fugen, wir fahren in Richtung Albuquerque, die Amis sagen Elbukörkie. Auf der Fahrt dorthin lassen wir Santa Fe noch einmal passieren, eine tolle Stadt, so ganz anders als alles, was wir bisher in USA und Kanada gesehen haben. Saubere Straßen, nirgends Grafitti, ein stimmiges Stadtbild auch außerhalb des Zentrums und überall Kunst. Wir fahern nicht über die Interstate, sondern über das Künstlerdorf Madrid, richtig, Madrid. Das war früher eine Bergarbeitersiedlung, Kohle wurde hier abgebaut. Ein Bummel durch das Dorf und diverse Boutiquen, wir halten den Geldbeutel fest und fahren weiter. Ein Gemälde hätte uns gefallen und ein Brunnen aus Bronzeguss, beides geht nicht in den Flieger, Gott sei Dank!

Die nächste Station ist das Tinkertown Museum, eine Sammlung kurioser und überflüssiger Dinge und noch kurioser präsentiert, die Wände der Gebäude, Häuser, Schuppen, was es auch sei, die Worte treffen es nicht, sind aus Flaschen gemauert. Und darin, wie gesagt, nur überflüssiges, aber kurioses bis hin zu einer 30 Fuß Segelyacht, auf der ein Deutscher in zehn Jahren um die Welt gesegelt ist. Der Abstecher dahin lohnt immer, es spricht das Kind in uns an. Dann fahren wir hinauf auf die 3200m hohen Sandia Crest, um von dort über halb New Mexico und nach Albuquerque zu blicken. Für den Weg hinunter wählen wir mal wieder eine knackige, unbefestigte Straße durch den National Forest. Da in Albuquerque Balloon Festival ist, ein Treffen der Heißluftballonfahrer, ist dort angeblich alles ausgebucht. So bleiben wir mal wieder mitten im Forest stehen, was für eine tolle Regelung, die das uns erlaubt.