20.07.12
Die
Gewitter kommen am frühen Morgen in schneller Folge und mit starkem Regen, also
frühstücken wir seit langem einmal wieder im Auto. Gestern Abend habe ich noch
die Stühle und die Axt ordentlich im Auto verpackt, so ist in einer kurzen
Regenpause nur das restliche Feuerholz auf den Heckträger zu schnallen, dann
geht es los in Richtung Mount St. Helens, wenn auch mit wenig Optimismus. Auf
einer engen, kurvenreichen Straße geht es durch den kalten Regenwald immer
höher und ab ca. 900m sind wir im Nebel. Das feuchte Klima lässt riesige Farne
wachsen, die Stämme der Bäume sind teilweise vollständig bemoost und von den
Zweigen hängt das Moos meterlang. So wie wir es schon aus den kanadischen
Regenwäldern kennen. Der Nebel wird immer dichter, teilweise habe ich nur 10m Sicht.
Das hat den Vorteil, dass man sieht die tiefen Abgründe, an denen wir
vorbeifahren, nicht sieht. Aber amerikanische Leitplanken, die Pfähle sind aus
Holz, würden unser Auto sowieso nicht aushalten. Also vermisse ich sie nicht. An
der Windy Ridge, hier ist die Fahrt auf 1250m Höhe beendet, reist es zu unserer
Freude auf, wir besteigen einen Aussichtspunkt (430 Stufen sind 80 Höhenmeter)
und können von dort in das Tal und auf den Spirit Lake schauen, in den sich die
Gesteinsmassen und der Schlamm des geschmolzenen Gletschers ergossen haben. Der
Wasserspiegel des Sees ist dadurch um 75m gestiegen, die Flutwelle ist über
200m an den Ufern hochgeschossen und hat alle Bäume weggerissen. Diese
schwimmen heute noch im See, große Teile des Sees sind bedeckt mit den
treibenden Stämmen. Hier herrschte zum Zeitpunkt des Ausbruchs Apokalypse, die
auch 57 Menschen (trotz Warnung) das Leben gekostet hat, darunter waren ein
Forscher, der nicht gehen wollte, und der Erbauer und Besitzer der Lodge, deren
Reste heute in 75m Tiefe liegen. Es gibt eine Infotafel mit dem Titel „A
Paradise Is Gone“ die zeigt, wie schön das Leben hier oben war; Fischen und
Jagen im Sommer, Skifahren im Winter.
Wir
warten eine halbe Stunde darauf, dass die Sonne, die manchmal als weiße Scheibe
in den Wolken sichtbar wird, die Wolken auflöst, vergeblich.
Für
die Rückfahrt hat Irmi eine Variante ausgesucht, an Minor‘s Car biegen wir
links ab. Es gibt zwar eine Straße, aber in einem desolaten Zustand! Die Talseiten
sind immer wieder abgebrochen und die Büsche wachsen bis zur Hälfte der
Fahrbahn. Ich verkünde „diese Straße fahre ich nicht, das Auto ist zu schwer!“
aber ich kann nicht wenden, unmöglich. Also weiter, immer weiter. Der Zustand verbessert
sich leicht, so lasse ich es sein und fahre weiter. Jedes Mal, wenn ich ein
abgesenktes oder abgebrochenes Straßenstück sehe, schießt mir das Adrenalin ins
Blut und ich fahre das Auto soweit rechts wie möglich an den Hang. Irgendwann
sehen wir den Rauch eines Campfires und Pferdeäpfel auf der Straße, wir sind
also in der Nähe des Green River Horse Camp. Dann kommen mir zwei Trucks mit Pferdeanhängern
entgegen, es kann also nicht mehr schlimmer kommen. Nach 30km sind wir endlich
durch, an diesem Ende der Straße steht ein orangenes Warnschild.
Wir
fahren weiter in Richtung Mount Rainier und bleiben hinter Packwood auf einem
National Forest Campground stehen. Wir erwischen den letzten Stellplatz, es ist
Wochenende, die Amerikaner streben in ihren Forest. Anstatt Gras haben wir Moos
auf dem Boden und sind umgeben von großen Farnen. Hoffentlich ist morgen das
Wetter besser, wir wollen den Mount Rainier sehen.
Nach
dem Abendessen, es gab Fischfilet mit Paprikagemüse, Salzkartoffeln und dazu Columbia
River Riesling (zu süß), bringe ich den Abfall weg und beobachte dabei das
amerikanische Campingleben. Was sind wir doch für Weicheier, sitzen im warmen,
trockenen Wohnmobil. Die meisten Amerikaner hingegen sind mit dem Zelt hier,
sitzen davor am Campfire und lassen sich von dem Nieselregen bei maximal 18
Grad nicht stören. Auch die Kids nicht, sie rasen mit Kickboard und Fahrrad
über die Straßen des Platzes. Irmi lässt sich trotzdem nicht zum Campfire
überreden.