09.10.12
Die Nacht war wenig erholsam, wir hatten zu spät zu viel gegessen,
zu wenig Frischluft im Auto, weil wir alles verdunkeln mussten, der Parkplatz
war taghell erleuchtet. Und zu guter Letzt, bereits vor sechs setzt hier der
Berufsverkehr ein, die Amis würden auch gut nach Sachsen-Anhalt passen, nach
eigenem Bekunden das Land der Frühaufsteher.
Wir marschieren zum Capitol, es hebt sich wohltuend von den
bisher besichtigten ab, keine Monumentalarchitektur in kaltem Granit sondern
erdwarme Töne und hiesiger Marmor. Und kein Turm, ein schlichter Rundbau.
Wir wussten ja, dass es dort Kunst zu sehen gibt, aber die
Menge, die Qualität und die Präsentation, damit haben wir nicht gerechnet. Der
Kunstsinnige kann dort Tage verbringen, keiner hindert ihn daran, es ist alles zugänglich,
sogar der Plenarsaal. Wir wandern sehr beeindruckt zurück in Richtung Plaza, vorbei
an der ältesten Kirche der USA und dem ältesten Haus, vorbei an einem Markt, wo
Kunst und Kitsch zu horrenden Preisen angeboten und auch gekauft werden. In
einem Geschäft für Messer schaue ich mir wunderschöne Stücke an und komme ins
Gespräch mit dem Besitzer. Er war oft in Deutschland und trauert der deutschen
Küche hinterher, rheinischem Sauerbraten und Sauerkraut mit Kapern verfeinert
zum Beispiel. Das alles gab es auch in Santa Fe, aber die Besitzerin hat das Lokal
verkauft und ist in Rente. Die Nachfolger können ihr nicht das Wasser reichen. Man
sieht ihm den Verlust an.
Wir besichtigen die Kathedrale, auch sie ist sehr hell und
freundlich gestaltet, um uns dann auf die Plaza zu begeben, wo unter den
Arkaden des Gouverneurspalastes indianische Kunsthandwerker ihre Schmuckstücke
anbieten. Sie sind alle lizensiert, eine staatliche Stelle kontrolliert und
stellt sicher, dass die angebotene Ware auch von den jeweiligen Handwerkern kommt.
Was sie anbieten ist wirklich toll, Design, Material, handwerkliche Arbeit,
alles stimmt. Die Stücke sind kein billiger Fummel, also kosten sie ihren Preis,
aber wir sind sicher, hier findet jeder etwas für seinen Geldbeutel, auch Irmi
schlägt zu.
Beim Bummel spricht mich eine Frau an, ob wir aus Deutschland
kommen Ja! Sie sei zu hundert Prozent deutsch, alle ihre Vorfahren kommen von
dort. Woher genau? Das wisse sie leider nicht mehr. Ob wir denn Deutsch reden
sollen? Nein, das könne sie nicht! Sollen wir das kommentieren? Nein, nicht
schon wieder.
Während Irmi am Automaten Geld holt, um die Schätze zu
bezahlen, interessiere ich mich für einen Stand, wo grafisch veränderte Fotos angeboten
werden von einem Mann, etwas älter als ich. Wir kommen ins Gespräch und er
fragt mich, woher ich komme. Aus Deutschland. Seine Familie auch, antwortet er
und dann kommt der Hammer, er erzählt ganz nebenbei, sein Großvater hatte den
Familiennamen Spiess. Mich setzt es fast auf den Hintern und ihn auch, als ich
ihm erzähle, ich heiße Spiess. Er kramt Unterlagen und Bücher aus seinem Stand
hervor und zeigt mir, welche wichtige Rolle die Familie Spiess in der
Entwicklung von New Mexico und auch Texas gehabt hat. Wir beide sind tief bewegt
und beschließen, in touch zu bleiben. Auch wenn wir vielleicht überhaupt nicht dieselben
Wurzeln haben, es war ein Erlebnis der besonderen Art, diesen sympathischen
Menschen kennen gelernt zu haben. Er war schon in Deutschland, schwärmt von
unserem Land und es klang ein wenig so, er ist Amerikaner, aber sehr stolz auf
seine deutschen Wurzeln. Auch sei er stolz darauf, wie sich Deutschland derzeit
verhält in der Welt und insbesondere in der Euro-Krise und wie stark es sei.
Ich bin emotional etwas aus den Fugen, wir fahren in
Richtung Albuquerque, die Amis sagen Elbukörkie. Auf der Fahrt dorthin lassen
wir Santa Fe noch einmal passieren, eine tolle Stadt, so ganz anders als alles,
was wir bisher in USA und Kanada gesehen haben. Saubere Straßen, nirgends
Grafitti, ein stimmiges Stadtbild auch außerhalb des Zentrums und überall
Kunst. Wir fahern nicht über die Interstate, sondern über das Künstlerdorf
Madrid, richtig, Madrid. Das war früher eine Bergarbeitersiedlung, Kohle wurde
hier abgebaut. Ein Bummel durch das Dorf und diverse Boutiquen, wir halten den
Geldbeutel fest und fahren weiter. Ein Gemälde hätte uns gefallen und ein
Brunnen aus Bronzeguss, beides geht nicht in den Flieger, Gott sei Dank!
Die nächste Station ist das Tinkertown Museum, eine Sammlung
kurioser und überflüssiger Dinge und noch kurioser präsentiert, die Wände der
Gebäude, Häuser, Schuppen, was es auch sei, die Worte treffen es nicht, sind aus
Flaschen gemauert. Und darin, wie gesagt, nur überflüssiges, aber kurioses bis
hin zu einer 30 Fuß Segelyacht, auf der ein Deutscher in zehn Jahren um die
Welt gesegelt ist. Der Abstecher dahin lohnt immer, es spricht das Kind in uns
an. Dann fahren wir hinauf auf die 3200m hohen Sandia Crest, um von dort über
halb New Mexico und nach Albuquerque zu blicken. Für den Weg hinunter wählen
wir mal wieder eine knackige, unbefestigte Straße durch den National Forest. Da
in Albuquerque Balloon Festival ist, ein Treffen der Heißluftballonfahrer, ist
dort angeblich alles ausgebucht. So bleiben wir mal wieder mitten im Forest
stehen, was für eine tolle Regelung, die das uns erlaubt.
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