Unser heutiges Ziel ist die kleinste, kanadische Provinz und eine Insel, Prinz-Edward-Island, genannt PEI, gesprochen Pi-Ei. Es ist Vorsaison, so müssen wir an der Fähre 2 Stunden warten, kein Problem, wir haben Zeit. Ich fülle Öl nach und Irmi macht Mittagessen. Dann beschließt sie, zu waschen mit unserer Waschmaschine. Und das geht so: Die Wäsche wird samt Waschpulver und heißem Wasser in einen Kasten mit Deckel gepackt und in das Bad gestellt. Das maschinelle Waschen besorgt das Gerüttele und Geschüttele des fahrenden Autos auf den doch mehr als mäßigen Straßen Kanadas. Es war der erste Test und am Abend meinte Irmi, das Ergebnis sei deutlich besser als das der kanadischen Waschmaschinen.
Doch zurück zur Fähre, wir sitzen auf dem Oberdeck und genießen bei warmen, sonnigen Wetter (der Wind war warm wie auf dem Mittelmeer!) die Überfahrt. Es tauchen dann plötzlich viele Menschen auf mit Namenschildern, es ist nicht alles zu erkennen, aber einmal steht der Name darauf und dann groß Jesus Christus. Die Männer sind in schwarzen Anzügen mit Krawatte und die Frauen und Mädchen in Kleidern! Die Ähnlichkeit (Gesicht und Figur) zwischen zahlreichen Mitgliedern der Gruppe ist verblüffend. Plötzlich lösen sich zwei Mädchen aus der Gruppe, setzen sich uns gegenüber auf die Bank und stellen sich vor als Sister Bradley und Sister Olson. Sie waren zwar schon über zwanzig, benommen haben sie sich aber wie Teenager und wir kamen uns vor wie in einem Hollywoodschinken aus den Fünfzigern. Das „oh, my god“, „oh, how exciting“ wollte gar nicht aufhören. Ich fand es amüsant, Irmi nervend. Als geklärt war, dass man heute als Mormone nur eine Frau haben darf und ich ja verheiratet sei, habe ich erklärt, bei meinem Nichtglauben zu bleiben. Eine „Visitenkarte“ mit der Internetadresse der Mormonen musste ich jedoch dann doch mitnehmen.
Die Anlandung der Fähre beendete die Anekdote.
Wir sind dann an der Ostküste von Pi-Ei entlang gefahren, vorbei an einem Weingut (ohne Stopp!). Die Küste und Landschaft sind wunderschön, die Erde und die Felsen rot wie in der Pfalz. Rote Sandstrände, wo gibt es denn sonst so etwas.
Nachdem wir das angestrebte Ziel, den „Pi-Ei National Park“ nur durch eine Gewalttour erreicht hätten, beschlossen wir, uns eine Stelle für die Nacht zu suchen. Zwei Campingplätze, an denen wir vorbei fuhren, hatten kein Internet. Also weiter, bis wir in der Nähe von Montague an einem Platz namens „Roma“ landeten und beschlossen, zu bleiben. Die erste Nacht wirklich abseits von Camping, die Amis nennen das Boondocking. Wir stellen den LKW ab und besichtigen den Platz, etwas abseits steht ein Auto. Irmi geht darauf zu und kommt zurück mit der Bemerkung „da liegt ein älterer Mann oben“. Nun, weder die noch wir haben uns stören lassen.
Eine nähere Besichtigung des Ortes (das Auto ist zwischenzeitlich verschwunden) ergab, dass bereits 1732 ein Herr namens Jean Pierre Roma hier eine Werft aufgebaut hat mit zwei Docks, auf denen über dreißig Schiffe gebaut wurden, von denen fünf in den Archiven verzeichnet sind. Außerdem siedelte hier einer der berühmten MacDonalds (nein, nicht McDonald, mit Hamburgern hat das nichts zu tun), einer der Mitbegründer der kanadischen Föderation, die ja auf Pi-Ei stattgefunden hat.
So, die Wäsche hängt zum Trocknen auf der Leine und der Riesling (Rauenthaler Wülfen 2009, Kabinett trocken) ist im Glas. Ein Grund mehr aufzuhören.
Nachsatz: Es ist Ortszeit 22:25 (03:25 in D) und es hat 21,3 Grad bei leichtem Wind und Bewölkung 50%.
Die Nacht hat es dann gegossen, Frühstück also im Auto. Im Laufe der Fahrt wurde es besser und dann gut. Wir haben eine Brennerei besichtigt und Pastis gekauft. Der Eigentümer ist ein englischer Arzt, der in Kanada hängen geblieben ist und seinen Arztberuf an den Nagel gehängt hat. Die Destillationseinrichtung stammt aus Göppingen. Ansonsten ein beschaulicher Tag mit sehr schöner Landschaft. Ein Hauch von Sylt kommt teilweise auf, wenn auch die Strände rot sind.
Leider sind die Campgrounds im Nationalpark noch geschlossen und so stehen wir auf einem kommerziellen Platz in Cavendish. Wenig romatisch, weg vom Meer, aber mit Internet.
Auf dem riesigen Platz stehen vielleicht 6 Camper, aber in der Rezeption wurde intensiv diskutiert, welchen Platz man uns zuweisen soll.
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